Jens Hentschel-Thöricht: Abschiedsrede vom Zittauer Stadtrat

die-Linke-Oybin-2019-2790-Mittel-e1587539689787-300x211 Mit nachfolgender Rede verabschiedete sich Jens Hentschel-Thöricht, langjähriger Vorsitzender der Linksfraktion, aus dem
Zittauer Stadtrat. Für ihn rückt Elke Koppatsch in den Stadtrat nach.

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Sehr geehrte Stadträten,

dies wird nach 11 Jahren nun vorerst meine letzte Rede in diesem Stadtrat sein. Die Einen werden sich sicherlich freuen, Andere werden vielleicht die Diskussion, Ideen und auch manch anderen intensiven sowie kontroversen Austausch vermissen. Doch vor allem in Lebensphasen, wo wir gesellschaftlich und gesundheitlich heftige Wellen aushalten müssen, als wären wir auf hoher See, wird mir umso bewusster, wie sehr es an der Zeit ist, erneut den eigenen Kompass auszurichten und Prioritäten zu setzen. 

Ich nutze die Möglichkeit, um einen herzlichen Dank auszusprechen. Rufen wir uns alle einmal mehr in Erinnerung: Ehrenamt im Stadtrat hat keine abgrenzbaren „Öffnungszeiten“, sondern findet zumeist z.B. auch in den Abendstunden in erschöpfenden Sitzungen statt. Mit viel Aufwand in weiteren Terminen, Bürgergesprächen und ‑anliegen, Vor-und Nachbereitungen. 
Von ganzem Herzen danke ich daher vor allem meiner Familie, allen voran meiner Frau, dass sie mir familiär den Rücken freihalten, mein „Fels in der Brandung“ und Teampartner sind. Auch für die Zeiten, die sie an meiner Seite waren und sind, wenn politische Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten in reißerischen und verdrehten SZ-Artikeln endeten. Meldungen, die auch von der eigenen Familie viel „aushalten“ und „wegstecken“ bedurften. Nicht zuletzt aber waren dies auch stets Möglichkeiten, mit unseren Kindern positiv über Demokratie, Meinungsfreiheit und Realität vs. Presse-Artikeln und Meinungen Dritter zu diskutieren und diese in ihrem demokratischen Verständnis zu fördern. Danke, dass wir das immer so positiv gestalten konnten und Du uns, trotz mancher politischen Meinungsverschiedenheit, privat stets liebevoll und mit großer Herzenswärme als Familie trägst.

Ich bedanke mich auch bei Ihnen allen, liebe Stadträte, Verwaltung und Oberbürgermeister. Ja, bei jedem Einzelnen von Ihnen. Ich durfte viel Lernen, habe neue Erkenntnisse gewonnen und konnte die ein oder andere Idee einbringen und Sie haben es mehrheitlich beschlossen. Dafür meinen aufrichtigen Dank. Auch möchte ich bei all denen um Verzeihung bitten, wenn manche Debatte hier über das Ziel hinausschoss und vielleicht zu persönlichen Verletzungen geführt haben mag. Wir diskutierten manchmal hitzig und in der Sache mit viel Herz. Für Kommunalpolitik schlägt auch mein Herz und Engagement seit Jahren mit großer Begeisterung höher. Danke an die Bürgerinnen und Bürger unserer wundervollen Heimatstadt, die mir immer wieder ihr Vertrauen entgegengebracht haben und mich helfen ließen, Lösungen für ihre Herausforderungen zu finden.

Ich wünsche mir für die Zukunft unserer Stadt, welche Sie als Stadtrat zukünftig gestalten, dass sich das teils feindselige Gegeneinander in ein gesellschaftliches Miteinander wandelt. Gemeinwohl und Gemeinsinn sollten nicht nur in der Alltagssprache, sondern vielmehr im Handeln wieder vorkommen. So steht in einem der ältesten und internationalsten Bücher – der Bibel – treffend und mahnend in Sprüche 11, „Eine Stadt blüht auf durch den Segen, den ehrliche Menschen ihr bringen; aber die Worte der Gottlosen sind ihr Untergang. Wer verächtlich über seinen Mitmenschen herzieht, hat keinen Verstand. Ein vernünftiger Mensch hält seine Zunge im Zaum“. Das sollte mehr denn je Auftrag an jegliches politische Handeln, auch in unserem höchsten Gremium der Stadt Zittau, sein.

Sie wissen, dass ich es als meine Aufgabe für unsere Bürgerinnen und Bürger sowie zum Wohle der Stadt sehe, auch ungemütliche Wahrheiten anzusprechen und auf die Tagesordnung zu bringen. Daher meinerseits noch wenige Impulse:

Der freie Austausch von Informationen und Ideen sollte nicht weiter eingeengt sein. Es darf sich auch in unserer Stadtverwaltung keine Atmosphäre der Zensur weiter ausbreiten. Und glauben Sie mir, leider gibt es etliche Mitarbeiter, welche innerlich resigniert haben und ihre Ideen zur Fortentwicklung unserer Stadt nicht mehr in den Diskurs geben. Dies muss sich schnell ändern, denn jeder einzelne Mitarbeiter wird mit seinen Ideen und Fachwissen gebraucht.

Und auch in im Zittauer Stadtrat braucht es eine Meinungsfreiheit. Dies bedeutet aber ausdrücklich und gerade auch, dass das Dumme auch dumm, das Gefährliche gefährlich und das Böse böse genannt wird. Man muss es benennen, weil man sonst schon aufgegeben hat. Wenn man davon abkehrt, dann liefern demagogiebegabte Denkfabrikateure ihnen in weltentscheidenden, weltbedrohenden Fragen Agumentationsmuster zu. Erneut könnten dann Massen stillhalten, weil Disziplin und Ruhe zur ersten staatsbürgerlichen Pflicht erklärt werden. 
Das bedeutet, dass Regeln der Demokratie nicht umgedeutet werden und eine Meinungsvielfalt ausgehalten werden sollte. Meinungsvielfalt in einem, in der Sachen harten, aber im Ton und Umgang miteinander, fairen Miteinander. Ohne, dass wie in der Vergangenheit von politisch Andersdenkenden oder Hofberichterstattern der Presse beispielsweise Menschen eingeschüchtert werden oder gar auf das Privatumfeld und berufliche Bereiche negativ eingewirkt wird.

Und es braucht auch die Vielseitigkeit im Stadtrat. So setzt sich eine jede Fraktion für ihre Zielgruppe ein. Als Linksfraktion in Zittauer Stadtrat haben wir uns für diejenigen eingesetzt, die es schwer haben und denen die Gesellschaft höhere Bildung, Wohlstand und Aufstiegsmöglichkeiten verwehrt. Unsere angeblich offene Gesellschaft ist von Mauern durchzogen. Sozialen Mauern, die u.a. Kindern, ärmerer Familien, älteren Menschen den Zugang zur Bildung, gesellschaftlichen Teilhabe, Aufstieg und Wohlstand viel schwerer machen, als in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Und Mauern der Gefühlskälte, die jene, die gar kein anderes Leben kennen, als das im Überfluss, von denen abschirmen, die glücklich wären, wenn sie einmal ohne Existenzangst leben könnten.

Daher meine Bitte an Sie Alle: Sorgen sie Sie sich vermehrt um den Abbau von Spaltungen und Zukunftsängsten und um mehr Sicherheit und Schutz. Sie können Veränderungen einleiten, die den Zerfall unseres gesellschaftlichen Zusammenhaltes stoppen. Wir können zu einem guten, solidarischen Miteinander zurückfinden, das letztendlich allen nützt: denen, die in den letzten Jahren verloren haben und sich heute vor der Zukunft fürchten, aber auch denen, denen es gut geht, die aber nicht in einem gespaltenen Land leben möchten. Jeder Einzelne von uns kann beginnen: bei sich selbst und durch sein eigenes Verhalten anderen gegenüber, den Unterschied zu machen und Veränderung zu sein. Mit einer an den christlichen Werten ausgerichteten Normvorstellung gesellschaftlichen Miteinanders.

Ich wünsche Ihnen allen weiterhin viel Kraft für die Arbeit im Stadtrat, welche Ihnen öfters Freude als Kummer bereiten soll. Ich werde die gewonnene Zeit für meine Familie und andere begeisternde Aufgaben nutzen.

„Lasst uns aber Gutes tun und nicht müde werden; denn zu seiner Zeit werden wir auch ernten, wenn wir nicht nachlassen“, heisst es in der Bibel. In diesem Sinne, Danke für Alles und auf ein Wiedersehen.